Die Frage klingt zunächst etwas eigenartig und die schnelle Antwort der meisten Erwachsenen darauf wäre, dass sie uns auf einen abwegigen Märchentrip führt.
Stichwort Märchen.
Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich als Kind „Die unendliche Geschichte“ von einem meiner Lieblingsautoren Michael Ende mit dem Drachen Fuchur gelesen habe. Der Drache Fuchur, mit seinen schönen, vertrauensvollen Augen und dem weichen weißen Fell, der um die Welt fliegen konnte. So fasziniert war ich von diesem Drachen und fest davon überzeugt, dass auch ich irgendwann meinem Fabelwesen Fuchur begegnen würde. Wer möchte nicht einen Begleiter, der dich überall hinfliegen lässt? Einen Glücksbringer, der dir nur Gutes bringt und einen Unterstützer, der dir Mut auf deinem Weg zur Verwirklichung deiner Träume gibt?
Wenn ich mich heute, als Erwachsene, mit den Drachen Fuchur unterhalten könnte, dann würde er mir sagen, dass wir unsere Herzensprojekte nicht einfach aufgeben sollten und mehr Mut brauchen, Dinge anders zu sehen und aus dieser Sichtweise heraus die Welt zu verändern. Ein solches Herzensprojekt ist die Hamburger Altstadt zu beleben.
Zurück zum Parkhaus.
Die Verwandlung eines tristen Parkhauses in einen lebendigen Wohn- und Gewerberaum für das umliegende Quartier ist so ein Baustein, zur Belebung der Hamburger Altstadt. Erbaut in den 1960er Jahren steht das mittlerweile stark in die Jahre gekommene Parkhaus „Neue Gröningerstraße“ mitten in der City wie ein Symbol für die heute nicht mehr zeitgemäße ausschließlich autogerechte Stadt. Doch ein Wandel kündigt sich an, denn der Bedarf nach Parkraum wird in Zukunft deutlich zurückgehen.
Die Verwandlung bahnt sich ihren Weg, weil der Wunsch nach Begegnungsräumen in den Straßen des Katharinenquartiers wächst und schon reichen die Wünsche über die Grenzen des Parkhauses hinaus. Hin zu einer Neuen Gröninger Straße, die auch eine Spielstraße werden könnte. Und weiter zu einer lebendigen und nachhaltigen Altstadt mit Raum zum Leben und Arbeiten, zum Spielen und kreativ sein. In der „unendlichen Geschichte“ hat die Frage danach, was Märchen und was Wirklichkeit ist, einzig mit der Vorstellungskraft zu tun und im Grunde verhält es sich doch mit Städten nicht anders, oder?
Als vernünftiger Erwachsener weiß man nun: Es gibt keinen Drachen Fuchur, der auf mich aufpasst und Mut schenkt. Das mag so sein, aber in der Nacht der Kirchen am 14. September 2019 passierte in meinen Augen letztendlich doch etwas wie ein Wunder. Wer von uns würde glauben, dass aus dem City Parkhaus in der Neuen Gröningerstraße, ein strahlend gelber Drache hinausschwebte? Er sah zwar nicht aus wie Fuchur, aber er brachte den Menschen viel Freude.
Kinder und Erwachsene bekamen funkelnde Augen, wenn sie ihn sahen. Das Wunder hörte aber mit dem gelben Drachen nicht auf. Aus seinem Versteck, dem Parkhaus, der Drachengarage, erklangen laut hörbar seine Rufe. Metaphorisch gesehen.
Es war der Ruf der Bigband „Tuten & Blasen“, die mit ihren Klängen, ein Gefühl von “Hier passiert etwas, wachet auf, liebe Menschen!” hervorriefen. Und als das Wunder für mich eigentlich vorbei sein sollte, da merkte ich, dass es eigentlich schon immer da war. Die Kraft, etwas Neues zu schaffen, liegt in uns und der Drache als Symbol machte sie für uns alle an diesem Tag sichtbar. Fuchur aus der „unendlichen Geschichte“ gab mir also als Kind etwas mit, das ich als Erwachsene nicht vergessen sollte: Die Geschichte ist nie zu Ende. Sie ist ein endloser Prozess von Veränderungen, manchmal kommen sie langsamer, manchmal kommen sie schneller; es liegt nur an uns, wann wir unseren Mut und unsere Kraft entfalten.
Autorin: Tu Phung Ngo, Leiterin des Nachhaltigkeitprojektes „Der Drache erweckt die Hamburgische Altstadt“
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