Interview mit GSF-Geschäftsführer Roland Keich zum Thema "Warum sollten Immobilienunternehmen die EU Taxonomie Konformität ihrer Immobilien prüfen lassen?" und zum neuen EU-Taxonomie-Check Klima vom NaWoh e. V. - Verein zur Förderung der Nachhaltigkeit im Wohnungsbau und der GSF Gesellschaft für Strategie und Finanzierungsberatung mbH.
Herr Keich, wo steht heute die Einführung der EU-Taxonomie? Und inwiefern ist diese für die Immobilienwirtschaft von Relevanz?
Keich: Die EU-Taxonomie zum Themenfeld „Umwelt“ hat sechs Umweltziele, die Nachhaltigkeit für verschiedenste Branchen und ihre Wirtschaftstätigkeit messbar machen will. Investoren, Kreditgeber und andere Stakeholder sollen daran erkennen können, welche Immobilien nachhaltig sind. Bislang waren die Ziele Klimaschutz und Klimawandelanpassung definiert. Im Frühjahr 2023 kamen vier weitere Ziele hinzu, darunter das Ziel „Kreislaufwirtschaft“. Von den vier neuen Zielen ist eben jenes zur Kreislaufwirtschaft für die Immobilienwirtschaft – neben den vorhandenen Klimaschutz und Klimawandelanpassung – am relevantesten.
Die GSF hat mit Prof. Dr.-Ing. Philip Engelhardt und Prof. Dr.-Ing. Heiko Gsell, zwei Kollegen von Ihnen von der EBZ Business School, für den Zertifizierer NaWoh e. V. einen "Taxonomie-Check Klima (Neubau)" entwickelt. Nun wird dieser von der GSF für den NaWoh e.V. eingeführt. Wofür wird ein Taxonomie-Check zur Prüfung und Bestätigung der EU-Taxonomie-Konformität für Immobilienunternehmen nutzbar sein?
Keich: Stimmt, wir haben den Taxonomie-Check im Auftrag des GdW für den NaWoh e. V. erstellt, der künftig die Verifikation anbietet. Unser Team wird die Konformitätsprüfung durchführen. Idee dabei ist, einen Taxonomie-Check aus der Wohnungswirtschaft für die Wohnungswirtschaft anzubieten und somit einen Praxisblick zu integrieren und nicht nur die reine Normensicht einfließen zu lassen. Zugleich halten wir uns, auch im Fragebogen, klar an die Inhalte der Delegiertenrechtsverordnung und die erforderlichen Nachweise.
Zu Ihrer Frage, wofür der Taxonomie-Check nutzbar ist: Beim Neubau kann der Taxonomie-Check sehr nutzbar sein – so kann beispielsweise dem Kreditgeber die Nachhaltigkeit des Vorhabens vorgewiesen werden. Und auch Mieter legen zunehmend Wert auf die Nachhaltigkeit ihres Mietobjekts. Interessant wird der Taxonomie-Check auch für die Immobilienunternehmen, um über die Neubauten ein Nachhaltigkeitsportfolio aufzubauen und / oder dies mit in der CSRD-Berichterstattung zur Nachhaltigkeit mitzunutzen. Zudem können Unternehmen ihre nachhaltigen Projekte frühzeitig prüfen lassen, um die Ergebnisse aus dem Check mit in ihre Investitionsüberlegungen und Finanzierungsplanung einbeziehen zu können. Und auch beim Verkauf von Immobilien und deren Refinanzierung ist ESG eines der Topthemen. Es zeigt sich also, dass ein Taxonomie-Check für Immobilienunternehmen in Zukunft zunehmend relevanter sein wird.
Was macht eine Verifikation der EU-Taxonomie-Konformität durch den NaWoh e. V. künftig interessant?
Keich: Der NaWoh e. V. ist der Zertifizierer der Immobilienverbände wie GdW, BFW, eid, Haus & Grund sowie der Bundesarchitektenkammer. Damit bietet es sich für Unternehmen der Verbandsmitglieder besonders an, den Taxonomie-Check ihres Zertifizierers zu nutzen. Wir bekommen so auch die Chance, Datenbestände aus den Ergebnissen aufzubauen, die ausgewertet und die Erkenntnisse für die Verbandsarbeit dienlich sein können. Darüber hinaus ist der NaWoh e. V. auch anerkannter Zertifizierer für QNG-Zertifikate etc. und hat entsprechend ein Standing am Markt.
Der Taxonomie-Check Klima wird für den Wohnungsneubau angeboten – ist dies bei einer sinkenden Anzahl an Neubauten überhaupt noch ein Thema?
Keich: Ohja, trotz der Entwicklung wird es dennoch einige Projekte geben, bei denen ESG nun erst recht ein Thema sein wird. Hinzu wird der Anteil der öffentlich geförderten Projekte noch eher wachsen, hier kann der EU-Taxonomie-Check gleichermaßen relevant sein.
Außerdem wird der Fokus auf Neubauten zunächst nur der Start zum Thema sein, GdW und GSF wollen das Angebot künftig noch ausbauen und Zertifizierungen auch für andere Objekte anbieten.
Und, was vielen unbekannt ist, die Taxonomie-Verordnung definiert 'Neubau' ab Fertigstellung 1.1.2021. Somit fallen auch bereits fertiggestellte Objekte in die Kategorie der Neubauten, die im Rahmen unseres Angebots bei Vorlage der erforderlichen Nachweise zertifiziert werden können. Da die Auflagen aus dieser Zeit noch gelten, kann eine Konformitätsbestätigung gerade für diese Projekte vorteilhaft sein. So bauen die Unternehmen ggf. noch relativ schnell ein bestätigtes ESG-Portfolio auf.
Was wird aus Ihrer Sicht noch zur EU-Taxonomie an Weiterentwicklungen kommen?
Keich: Die bisherige Taxonomie hatte den Fokus auf die Ökologie. Die Sozialtaxonomie wird das nächste Themenfeld sein. Sie wird besonders interessant für Investoren und Immobilienunternehmen, die auf soziale Aspekte in ihren Quartieren und Immobilien Wert legen. Und die EU wird ihre FAQ zu den Umweltzielen sicherlich weiterentwickeln. Im Dezember 2022 hat die EU-Kommission eine Publikation von FAQ zur Auslegung der EU-Taxonomie veröffentlicht. Interessant wird hier auch die Frage, welche rechtliche Bindung sie haben, ein Themenfeld für die Juristen.
Weitere Informationen zur EU-Taxonomie:
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